Moin zusammen,
wir sind eine Gesellschaft, die an alle Menschen höchste Ansprüche stellt, aber, so kommt es mir vor, regelmäßig an diesen scheitert und nicht mehr weiß, wie mit diesem Scheitern umzugehen ist.
Und in der Sintflutgeschichte können wir herausfinden, wie wir damit umgehen können.
Fröhliche Grüße
Bernd
Lieber Vater, schenk uns ein Herz für dein Wort und dein
Wort für unser Herz. Amen
Liebe Gemeinde,
kennt ihr den Mann, von dem es in der Bibel heißt „Der wird uns Erleichterung verschaffen bei
all der harten Arbeit und mühseligen Plackerei auf dem Acker, den Gott
verflucht hat!“ (1. Mo 5, 29). Den Mann, der von seinem Vater ‚Ruhe’
genannte wurde.
Bestimmt ist euch dieser Mann bekannt. Zumindest unter dem
Namen ‚Noah’. Über ihn heißt es: „Noah
war ein rechtschaffener Mensch…Er ging seinen Weg mit Gott und hörte auf ihn.“
(1. Mo 6, 8). Und das in einer Zeit, als „die
übrige Menschheit aber vollkommen verdorben, die Erde erfüllt von Gewalt war.
Wohin Gott auch sah: Überall herrschte Unrecht, denn die Menschen waren alle
vom rechten Weg abgekommen.“ (1. Mo 6, 11f)
Da hat Gott gerade die Welt erschaffen, hat alles als sehr
gut befunden und letztendlich den Menschen geformt. Und zehn Generationen
weiter, wenn wir den Stammbaum von Adam bis Noah zu Grunde legen, „sah [der HERR], dass die Menschen voller
Bosheit waren. Jede Stunde, jeden Tag ihres Lebens hatten sie nur eines im
Sinn: Böses planen, Böses tun. Der HERR war tieftraurig darüber und wünschte,
er hätte die Menschen nie erschaffen.“(1. Mo 6, 5f). Deshalb will er sie
wieder vernichten. Nicht als Strafe, sondern als logische Folge der
Verderbtheit. „Nur Noah fand Gnade beim
HERRN.“ (1. Mo 6, 8).
Es folgt die Geschichte von der Sintflut. Die scheinbar
unmögliche Arche, der Bund mit Noahs Familie, die Tiere, die alle mitdürfen
(übrigens sind es je nach Übersetzung immer ein Paar oder je ein Paar von den
unreinen und je sieben Paar von den reinen Tierarten), die vierzig Tage und
Nächte des Dauerregens, das elende Sterben um die Arche herum.
Und hier setzt unser heutiger Predigttext ein. 1. Mose 8,
1-12. Hier in der
Hoffnung für alle Übersetzung.
Gott denkt an Noah
1 Aber Gott hatte Noah
und die Tiere in der Arche nicht vergessen. Er sorgte dafür, dass ein Wind
aufkam, der das Wasser zurückgehen ließ.
2 Die Quellen in der
Tiefe versiegten, und die Schleusen des Himmels wurden verschlossen, so dass
kein Regen mehr fiel.
3 Nach den
hundertfünfzig Tagen ging das Wasser allmählich zurück,
4 und plötzlich – am
17. Tag des 7. Monats – saß das Schiff auf einem der Berge von Ararat fest.
5 Bis zum 1. Tag des
10. Monats war das Wasser so weit gesunken, dass die Berggipfel sichtbar
wurden.
6 Nach weiteren
vierzig Tagen öffnete Noah das Fenster, das er eingebaut hatte,
7 und ließ einen Raben
hinaus. Der flog so lange ein und aus, bis das Wasser abgeflossen war.
8 Noah ließ eine Taube
fliegen, um zu sehen, ob das Wasser versickert war.
9 Aber die Taube fand
keinen Platz zum Ausruhen, denn die Flut bedeckte noch das ganze Land. Darum
kehrte sie zu Noah zurück. Er streckte seine Hand aus und holte sie wieder ins
Schiff.
10 Dann wartete er
noch weitere sieben Tage und ließ die Taube erneut hinaus.
11 Sie kam gegen Abend
zurück, mit dem frischen Blatt eines Ölbaums im Schnabel. Da wusste Noah, dass
das Wasser fast versickert war.
12 Eine Woche später
ließ er die Taube zum dritten Mal fliegen, und diesmal kehrte sie nicht mehr
zurück.
Und noch einige Tage später fordert Gott Noah auf, jetzt die
Arche zu verlassen, die Tiere freizulassen. "Nie mehr will [GOTT] wegen der Menschen die Erde verfluchen, obwohl sie
von frühester Jugend an voller Bosheit sind.“ (1. Mo 8, 21). Und er
schließt einen Bund mit den Noah und allen Menschen und Tieren „Diesen Bund schließe ich mit euch und allen
Bewohnern der Erde, immer und ewig will ich dazu stehen. Der Regenbogen soll
ein Zeichen für dieses Versprechen sein… diese Zusage gilt für
alle Zeiten“ (1 Mo
9, 12+16).
Was für eine Geschichte. Eine Geschichte, die so wunderbar
erzählt werden kann. Eine Geschichte, die alles bietet, was zu einem guten Buch
oder Film gehört.
Bei Pfr. Johannes Taig habe ich den schönen Begriff von der
„Immergeschichte“ gelesen. Er schreibt „Urgeschichten sind Immergeschichten.
Die Geschichte von der großen Flut begreift jeder, dem das Wasser bis zum Hals
steht. Unser Leben und die ganze Schöpfung sind noch lange nicht zu Hause.
Chaos und Leid sind um uns… Kirche ist keine Sonderwelt.“
Als ich mit der Vorbereitung zur Predigt begann fragte ich
mich, wieso Noah zuerst einen Raben aussendet und danach mehrere Tauben. Haben
die Zeitangaben eine besondere Bedeutung? Und überhaupt, wie passen so viele
Tiere in so eine kleine Arche? Oder soll vielleicht die Neuschöpfung im
Vordergrund stehen?
Antworten darauf gibt es viele.
Heinrich Tischner schreibt zu Rabe und Tauben: „Die Raben
gelten in der Bibel als Beispiel der göttlichen Fürsorge: Obwohl sie nicht
sammeln, ernährt sie der himmlische Vater doch (Lukas 12,24), und sie sind
trotzdem in der Lage, den hungrigen Elia mit Brot und Fleisch zu versorgen (1,
Kön 17.6). Der Rabe gilt wie die Taube in heidnischer Religion als Bote der
Gottheit, könnte also auch hier eine Art Botenfunktion haben. Und schließlich
denken wir daran, dass der Vogel ein uraltes Symbol für den Geist (die Taube
für den heiligen Geist) ist.“
Ob die Zeitangaben von Bedeutung sind, darüber gibt es die
unterschiedlichsten Theorien. Am ehesten ist vielleicht der Abstand zwischen
dem Aussenden von Rabe und Tauben interessant: jeweils eine Woche, also sieben
Tage. „Am siebten Tag hatte Gott sein Werk vollendet und ruhte von seiner
Arbeit.“ (1. Mo 1, 2). Martin Rösel hat in seiner Bibelkunde des Alten
Testaments festgestellt, dass eine befriedigende Aufschlüsselung der
Chronologie derzeit nicht möglich scheint.
Und ob so viele Tiere überhaupt in die Arche passen? Ist das
wirklich wichtig? Welche Tierarten gab es damals denn? Und ging es um alle
Tierarten oder nur um die zoologischen Grundarten? Um Tierbabies oder
ausgewachsene Tiere? Auch hier sind sich die Gelehrten auf keinen Fall einig.
Mag sich also jeder selber eine Vorstellung mache, wie das in der Arche
gewimmelt hat.
Und die Neuschöpfung?
Alles, bis auf die Archebesatzung, wird von Gott vernichtet, um einen
Neuanfang zu ermöglichen. Immer da, wo Dinge zerbrechen, wo Altgewohntes
zerstört wird beginnt auch etwas Neues. Ob in einer durch Scheidung
auseinandergerissen Familie, ob durch Veränderungen am Arbeitsplatz oder durch einen
neuen Pfarrer in der Gemeinde.
Bestimmt kann jeder hier sich an solch eine Situation
erinnern und weiß um die Schwierigkeiten damit umzugehen.
Ich möchte lieber folgende drei Dinge in den Vordergrund
stellen, die mir an der gesamten Sintflutgeschichte aufgefallen sind:
Noahs Name
Gottes Erinnern
Der Regenbogen
1. Noahs Name
Noah kommt aus dem Hebräischen und kann mit ‚ausruhen,
beruhigen’ übersetzt werden. Die Bedeutung schwankt zwischen ‚beruhige dich
(Gott)’, ‚der Tröstende’ und ‚der Ruhebringende’.
In der ganzen verderbten Welt war er ein rechtschaffener
Mensch, der seinen Weg mit Gott ging.
Ich stelle mir vor, dass er der Ruhepol der Familie gewesen
ist. Genau wie sein Name es verspricht. Inmitten der chaotischen Welt ist er
es, der zusammenhält. Er ist es, der die anderen Familienmitglieder in den Arm
nimmt und tröstet. Noah ist es, der Fürbitte bei Gott hält.
Ist diese Welt Noahs so großartig unterschiedlich zu der
heutigen? Sicher, besonders der Stand der Technik war ein anderer. Manche
Lebensweise erscheint aus heutiger Sicht rauer, brutaler und unbarmherziger.
Die Existenzsorgen damals waren vermutlich weitaus lebensbedrohlicher, als es
heute (zumindest in Heckinghausen) der Fall ist. Und doch gilt immer noch, was
schon in Prediger 3 zum Ausdruck gebracht wird „Was immer sich auch ereignet oder noch ereignen wird – alles ist schon
einmal da gewesen. Gott lässt von neuem geschehen, was in der Vergangenheit
bereits geschah.“ Nur kommt es in einem anderen Gewand.
Viele von uns empfinden die heutige Zeit als schnelllebig. Im
Arbeitsleben wird immer schneller, immer mehr verlangt. Stetige Bereitschaft,
dauerhafte Empfangbarkeit, immerwährende Verfügungbarkeit gelten als
unverzichtbar. Privat ist es wichtig auf allen Social-Media-Kanälen präsent zu
sein und virtuelle Freundschaften zu pflegen. Gesellschaftlich soll ein
Ehrenamt bekleidet und mit Ernst versehen werden, selbst kirchlich wird
erwartet sich mehr persönlich einzubringen. Vom Familiären, von Ehe und
Elternschaft und den hohen Ansprüchen daran mal ganz abgesehen. Wir sind eine
Gesellschaft, die an alle Menschen höchste Ansprüche stellt, aber, so kommt es
mir vor, regelmäßig an diesen scheitert und nicht mehr weiß, wie mit diesem
Scheitern umzugehen ist.
Wie gut wäre es, jemanden wie Noah an unserer Seite zu
haben. Einen, der Ruhe vermittelt in dieser hektischen Welt. Einen der uns
tröstet, wenn wir wieder mal an den Ansprüchen dieser Welt gescheitert sind.
Und vor allem einen, der für uns zu Gott spricht, ihn um Hilfe für unser Leben
bittet. Ein ruhiger Tröster, der unsere Empfindungen vor Gott bringt.
Vielleicht aber dürfen wir uns daran auch ein Vorbild
nehmen. Wo strahlen wir Noahs Ruhe aus, wo trösten wir andere und bringen ihre
Bedürfnisse Gott nahe. Auf Noah sehen heißt, auf uns selber schauen. Von ihm
lernen und für andere da sein. Nicht von oben herab, nicht überheblich, nicht
besserwisserisch. Sondern als Fels in der Brandung des Lebens, als Halt im
stürmischen Alltag, als Anker in Gottes Hafen.
2. Gottes Erinnern
„Aber Gott hatte Noah
und die Tiere in der Arche nicht vergessen.“ Mitten in das stürmische Dunkel des Lebens auf der
Arche fällt dieser Satz. Eine quälend lange Zeit ist Noah mit seiner Familie
und den Tieren auf sich gestellt. Um sich herum nur Tod und Verderben. „Gott löschte das Leben auf der Erde völlig
aus“ (1. Mo 7, 23).
„Aber Gott hatte Noah
und die Tiere in der Arche nicht vergessen.“ Was für eine Zusage. Gott erinnert sich.
Für mich ist das eine herausragende Stelle in der
Sintflutgeschichte. Hier zeigt sich für mich die Einmaligkeit Gottes. Hier
zeigt sich seine dem Menschen zugewandte und barmherzige Liebe. Dann, wenn
alles um mich herum vergeht, wenn ich nicht mehr weiß, wo oben oder unten ist,
wenn mein gesamtes Leben am Boden liegt, dann erinnert sich Gott an mich.
Ach, könnte ich in all meinem Elend, in aller meiner Not mir
immer wieder ins Gedächtnis rufen, das Gott sich meiner erinnert. Wenn mich
Sorgen überfluten, wenn Krankheit oder Tod in mein Leben kommt, wenn meine
Beziehungsfähigkeit auf dem Prüfstand steht und ich nicht weiter weiß, dann
will ich mich selber daran erinnern (oder mindestens daran erinnern lassen),
das Gott sich meiner erinnert. Und so, wie „Er…dafür
[sorgte], dass ein Wind aufkam, der das Wasser zurückgehen ließ.“, so will
ich darauf vertrauen, das sich auch mein Leben wieder beruhigt, das mein
Lebensmeer glatt und ohne nennenswerte Wellen vor mir liegt.
Ich weiß, dass das eine große Herausforderung ist. In meiner
eigenen Begrenztheit erkenne ich gerade dann, wenn ich in einer Krise bin,
nicht die Barmherzigkeit Gottes. Gerade dann bin ich oft am weitesten von ihm
entfernt. Aber ich darf sicher sein, das er es ist, der sich meiner erinnert.
Er ist es, der mich durch die Krisen trägt. Da wo nur eine Spur im Sand meines
Lebens zu sehen ist, da trägt Gott mich. Gottes Erinnern trägt mich.
3. Der Regenbogen
Und als ob das Erinnern Gottes und sein anschließendes Versprechen
einen „Bund schließe ich mit euch…immer
und ewig will ich dazu stehen“ nicht reichen schenkt er uns den Regenbogen
als Zeichen. Der
Regenbogen soll ein Zeichen für dieses Versprechen sein. „Wenn ich Wolken am Himmel aufziehen lasse und der Regenbogen darin
erscheint, dann werde ich an meinen Bund denken, den ich mit Mensch und Tier
geschlossen habe: Nie wieder eine so große Flut! Nie wieder soll alles Leben
auf diese Weise vernichtet werden! Ja«, sagte Gott, »diese Zusage gilt für alle
Zeiten, der Regenbogen ist das Erinnerungszeichen. Wenn er zu sehen ist, werde
ich daran denken.“ (1. Mo 9, 13-17)
Ich denke, dass kaum jemand unter uns sich dem Anblick eines
Regenbogens entziehen kann. Viele zücken vermutlich die Kamera (oder das
Smartphone), um ihn zu fotografieren. Unzählige Bilder werden sich in Fotoalben
finden lassen.
In Liedtexten hat er Einzug gehalten. Wer kennt nicht
‚Somewhere over the rainbow’ aus dem Zauberer von Oz oder Juliane Werdings
‚Kinder des Regenbogens’.
Der Regenbogen beeindruckt. Er weckt in uns eine gefühlvolle
Seite. Lebenslang. Wir können uns dem nicht entziehen. Lasst uns dankbar dafür
sein. Jedes Mal, wenn wir einen Regenbogen sehen dürfen wir uns von Gott an
seine Zusage erinnern lassen. Wir dürfen uns erinnern, dass er uns niemals
loslässt. Gott rührt unser Herz an.
Und das, obwohl wir Menschen uns seit Adams Zeiten nicht
verändert haben. Gott vernichtete mit der Sintflut alle Verderbtheit, so hoffte
er. Mit Noah, dem einzig Rechtschaffenen und seiner ganzen Familie. Und doch
stellt Gott auch hier schließlich fest, dass „sie von frühester Jugend an voller Bosheit sind“ (1. Mo 9, 21).
Auch Noah und seine Nachfahren machen bald da weiter, wo seine Vorfahren
aufgehört haben. Einen weiteren Bund schließt Gott dann in Jeremia 31,31-33: „So spricht der HERR: Es kommt die Zeit, in
der ich mit dem Volk Israel und dem Volk von Juda einen neuen Bund schließe. Er
ist nicht mit dem zu vergleichen, den ich damals mit ihren Vorfahren schloss,
als ich sie bei der Hand nahm und aus Ägypten befreite. Diesen Bund haben sie
gebrochen, obwohl ich doch ihr Herr war! Der neue Bund, den ich dann mit dem
Volk Israel schließe, wird ganz anders aussehen: Ich schreibe mein Gesetz in
ihr Herz, es soll ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen. Ich werde ihr Gott
sein, und sie werden mein Volk sein.“
Wir wissen heute, dass auch dieser Bund nicht dazu führte,
dass alle Menschen sich an Gott halten. Aber wir wissen auch, dass Gott nicht
daran verzweifelt. Er sendet letztlich seinen eigenen Sohn. Lässt ihn
stellvertretend jämmerlich am Kreuz sterben für unser Unvermögen nach Gottes
Vorstellungen zu leben.
Kann es einen größeren Ausdruck von der Liebe Gottes zu uns
Menschen geben?
Lasst uns gezielt auf Regenbogensuche gehen. Als
Hoffnungszeichen in dieser Welt. Als Anker in der Zeit.
Als Heil von Gnad und lauter Güte.
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere
Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unseren Herrn.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen