Generationenkonflikt. Überalterung der Gesellschaft. Vergreisung. Es gibt viele Schlagworte, die sich mittlerweile mit dem Altern auseinandersetzen. Nicht immer zum Wohle der Menschen, vor allem der älteren.
Altern wird oft als Belastung wahrgenommen. Die jugendliche Frische fehlt. Das immer schneller, immer weiter, immer höher als Maßstab unserer Gesellschaft kann nicht mehr erfüllt werden. Dabei hat die Langsamkeit des Alters doch so einiges zu bieten. In Lukas 2 wird uns davon berichtet.
Fröhliche Grüße
Bernd
Lieber Vater, schenk uns ein Herz für dein Wort und dein
Wort für unser Herz. Amen
Liebe Gemeinde,
und schon ist es wieder vorbei. Das Weihnachtsfest. Genauer:
die Weihnachtsfeiertage. Aber so ganz hat uns der Alltag noch nicht wieder.
Oder mich zumindest nicht. Direkt nach den Festtagen das Wochenende. Kein
Arbeitstag dazwischen. Und dann auch noch ein paar Tage länger Urlaub. Erst am
05. Januar wieder zur Arbeit. Da bleibt noch Zeit auszuspannen. Zeit, das
Weihnachtsfest zu verarbeiten.
Maria und Josef hatten es nicht so gut. Bei denen war nicht
nur Weihnachten kein Festtag, auch die Zeit danach war sehr arbeitsreich. Das
kleine Baby, alles neu so zu dritt. Wickeln, füttern, nachts aufstehen – nichts
ist mehr so, wie es vorher war. Und dann auch noch die ganzen religiösen
Pflichten. Aber hören wir doch zunächst, was in der Bibel dazu steht:
Lukas 2, 21-40, Neue Genfer Übersetzung:
Beschneidung und
Namengebung
21 Acht Tage später,
als die Zeit gekommen war, das Kind zu beschneiden, gab man ihm den Namen Jesus
– den Namen, den der Engel genannt hatte, noch bevor Maria das Kind empfing.
Jesus wird im Tempel
Gott geweiht
22 Als dann die im
Gesetz des Mose festgelegte Zeit der Reinigung vorüber war, brachten Josef und
Maria das Kind nach Jerusalem, um es dem Herrn zu weihen 23 und so nach dem
Gesetz des Herrn zu handeln, in dem es heißt: »Jede männliche Erstgeburt soll
als heilig für den Herrn gelten.« 24 Außerdem brachten sie das Reinigungsopfer
dar, für das das Gesetz des Herrn ein Turteltaubenpaar oder zwei junge Tauben
vorschrieb.
Die Begegnung mit
Simeon
25 Damals lebte in
Jerusalem ein Mann namens Simeon; er war rechtschaffen, richtete sich nach
Gottes Willen und wartete auf die Hilfe für Israel. Der Heilige Geist ruhte auf
ihm, 26 und durch den Heiligen Geist war ihm auch gezeigt worden, dass er nicht
sterben werde, bevor er den vom Herrn gesandten Messias gesehen habe. 27 Vom
Geist geleitet, war er an jenem Tag in den Tempel gekommen. Als nun Jesu Eltern
das Kind hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war, 28
nahm Simeon das Kind in seine Arme, pries Gott und sagte:
29 »Herr, nun kann
dein Diener in Frieden sterben,
denn du hast deine
Zusage erfüllt.
30 Mit eigenen Augen
habe ich das Heil gesehen,
31 das du für alle
Völker bereitet hast –
32 ein Licht, das die
Nationen erleuchtet,
und der Ruhm deines
Volkes Israel.«
33 Jesu Vater und
Mutter waren erstaunt, als sie Simeon so über ihr Kind reden hörten. 34 Simeon
segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: »Er ist dazu bestimmt, dass
viele in Israel an ihm zu Fall kommen und viele durch ihn aufgerichtet werden.
Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird – 35 so sehr, dass auch dir ein
Schwert durch die Seele dringen wird. Aber dadurch wird bei vielen an den Tag
kommen, was für Gedanken in ihren Herzen sind.«
Die Prophetin Hanna
36 In Jerusalem lebte
damals auch eine Prophetin namens Hanna, eine Tochter Penuels aus dem Stamm
Ascher. Sie war schon sehr alt. Nach siebenjähriger Ehe war ihr Mann gestorben;
37 sie war Witwe geblieben und war nun vierundachtzig Jahre alt. Sie verbrachte
ihre ganze Zeit im Tempel und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten.
38 Auch sie trat jetzt zu Josef und Maria. Voller Dank pries sie Gott, und zu
allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten, sprach sie über dieses Kind.
Rückkehr nach Nazaret.
Jesu Kindheit
39 Als Josef und Maria
alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn verlangte, kehrten sie nach
Galiläa in ihre Heimatstadt Nazaret zurück. 40 Jesus wuchs heran; er war ein
kräftiges Kind, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade ruhte auf ihm.
Nach acht Tagen also Jesu Beschneidung, nach 40 Tagen das
Reinigungsopfer und zeitgleich die Weihung Jesu als Erstgeborener für Gott.
Alles so, wie es in 3. Mose 12 bestimmt wird.
Ich stelle mir vor, dass das für die kleine Familie nicht
einfach gewesen ist. Keine richtige Unterkunft, kaum finanzielle Möglichkeiten
(deshalb dieses ärmliche Opfer von nur zwei Tauben statt einem Schaf), aber
genügend traditionelle Vorstellungen, die es zu erfüllen gilt. Keine leichte
Zeit also. Und Gedanken über die Umstände vor und nach der Geburt werden da
keinen Platz mehr gehabt haben. Der Alltag musste bewältigt werden. Aber jetzt
sitzen oder stehen sie gespannt im Tempel und warten auf diesen einen Moment.
Diesen Moment, wo Jesus als Erstgeborener dem Herrn geweiht wird. Ähnlich wie
bei vielen von uns bei der Taufe ihres ersten Kindes wird es bestimmt auch bei
den beiden gewesen sein: ein gespanntes Zittern im Gottesdienst, eine nicht
erklärbare Erwartung breitet sich aus. Selbst wenn der Gottesdienst mehr aus
traditionellen Gründen als aus gelebtem Glauben besucht wird; einen besonderen
Zauber wird man ihm nicht absprechen. Und das ist ja auch tröstlich: für Jesus
gibt es nicht einen besonderen Gottesdienst, ein Extrahighlight. Nein - es ist
ein ganz und gar normaler Gottesdienst. So wie bei uns. Ohne Schnickschnack. Es
muss nicht immer das Besondere sein, Normalität ist manchmal, vielleicht sogar
öfter als ich denke, völlig ausreichend für Gott. Aber trotz dieser Normalität
passiert etwas Unerwartetes. Zumindest für Maria und Josef. Da ist nämlich ein
fremder Mann im Gottesdienst und nimmt den Eltern das Kind weg, nimmt Jesus
einfach so in seine Arme. Ohne zu fragen, aber auch ohne das Maria und Josef
großartig protestieren. Und das finde ich das Spannende daran. Wenn mir ein
Fremder mein Kind einfach so weggenommen hätte, da wäre aber was los gewesen.
Da hätte ich nicht so danebengestanden und diesem Fremden zugehört. Warum war
das damals wohl anders? Ich möchte einen Moment den Simeon in den Mittelpunkt
stellen.
Simeon
Wer ist dieser Simeon eigentlich?
Als rechtschaffend, nach Gottes Willen lebend, wird er im
Text bezeichnet. Und das er auf die Hilfe für Israel wartet. Also auf den
angekündigten Messias.
Er ist wohl nicht so großartig anders wie die anderen Juden
um ihn herum. Nur das er etwas gelassener scheint. Stelle ich mir zumindest so
vor. Und das ist ja auch nachvollziehbar. Schließlich hat der Heilige Geist
selbst ihm ein Versprechen gegeben: Simeon wird den Messias sehen. Zu
Lebzeiten. Keiner weiß, wie das geschehen ist. Es wird uns nirgends gesagt.
Schade, finde ich. Wäre doch toll aus erster Hand zu hören wie das ist, wie ich
das erkennen, wenn der Heilige Geist direkt zu mir spricht. Und toll wäre es
auch zu wissen, wie lange Simeon auf diesen Moment gewartet hat. Für Simeon
scheint das aber alles nicht so wichtig zu sein. Wichtig ist allein, das das
Versprechen gehalten wird. „Herr, Du hast
dein Zusage erfüllt.“
Dafür bewundere ich Simeon. Er hat Gott gehört. Er hat seine
Verheißung ernst genommen und er hat gewartet. So lange, bis sie erfüllt wurde.
Alt ist er geworden. Bestimmt hat er viel im Leben mitgemacht und könnte so
einiges erzählen. Gerade in diesem Moment, an dem sein Lebenstraum oder besser:
seine Lebenserwartung; zu Ende geht. Und was macht er? Er dankt Gott, erwartet
ausgeglichen seinen wohl nahenden Tod und als letzte Handlung segnet er Maria und
Josef. Dazu spricht er aus, was Jesus für die Welt bedeutet: Der Glaube an Jesus
wird ganz oder gar nicht sein. Der Mensch, der Jesu Worte hört wird in seinem
Herzen berührt und entscheidet sich entweder für oder gegen ihn. „Die Gedanken des Herzens“ werden
offensichtlich für jeden Menschen, der mit Jesus in Berührung kommt.
Wie oft habe ich schon von älteren Menschen solche
Glaubenserfahrungen gesagt bekommen. Vertrauen in Jesus ist lebensprägend. Im
Guten, wie im Schlechten. Simeon lebt nicht rückblickend, sondern
vorausschauend. Ausgerichtet auf das Kommen Jesus. Auch das habe ich immer
wieder gehört von älteren Menschen. Und wie sehr ist das in mein Leben
übergegangen?
Maria und Josef haben es zugelassen, das dieser alte Mann
Simeon ihren Sohn auf seine Arme nimmt. Sie haben nicht dagegen protestiert.
Vielleicht sollte ich mich mehr darauf einlassen, auf die Taten und Worte der
Älteren zu hören. Wer weiß, was das bewirkt. Lernen werde ich bestimmt etwas.
Für mein Leben. Für meine Gottesbeziehung und meinen Glauben. Von Simeon möchte
ich mir seine innere Ausgeglichenheit zu eigen machen. Seine Glaubensgewißheit
und das damit verbundene Vertrauen, das Gott alle seine Zusagen erfüllen wird.
Und kaum ist die Begegnung mit Simeon beendet, da kommt
schon die Nächste. Hanna heißt sie. Als Prophetin wird sie in der Bibel
vorgestellt. Aber das wissen Maria und Josef wohl eher nicht. Und wie Simeon
hat sie etwas zu sagen. Deshalb steht sie jetzt im Mittelpunkt.
Hanna
84 Jahre, jahrzehntelange Witwe, lebt im Tempel, Prophetin.
Soweit die Kurzvorstellung in den Versen 36+ 37.
Und zwischen den Zeilen schimmert noch mehr durch. Der Name
Hanna heißt übersetzt Gott ist gnädig. Und das Versprechen, das mit diesem
Namen verbunden ist, hat Hanna erleben dürfen. Trotz der schwierigen
Lebenssituation, trotz der Erfahrung von Leid und Trauer, hat sie sich nicht
abgewandt von Gott. Obwohl oder gerade weil ihr Mann früh verstorben war hat
Gott für sie gesorgt. Sonst hätte sie nie so alt werden können in der damaligen
Zeit. Liegt es daran, dass sie als Prophetin unter einem besonderen Schutz
Gottes steht? Es wird nicht aufgelöst durch Lukas. Und auch an keiner anderen
Stelle der Bibel. Fasten und Beten sind aber Hannas Alltag geworden heißt es.
Eintönig könnte ich es nennen. Vielleicht sogar langweilig. Aber dem ist ja
wohl nicht so. Hanna hat nämlich über dem Fasten und Beten eines nicht aus den
Augen verloren: den Alltag und vor allem: das Besondere im Alltag. Sie geht mit
offenen Augen durch die Welt. Und sie vermag – als Prophetin – die Zeichen zu
deuten, die vor ihren Augen sind. Oder ist es ihre Lebenserfahrung, die dazu
führt, Gott zu preisen, als sie Maria und Josef und Jesus im Tempel entdeckt?
Ich glaube, dass beides zusammen kommt. Mit 84 Jahren hat Hanna schon viel erlebt
und gesehen. Und wer wie sie den Großteil des Lebens im Tempel gelebt hat, wird
auch viele Glaubensweisheiten verinnerlicht haben. Eine davon ist: Der Messias
kommt. Und als sie diesen Messias erkennt, da macht sie sich auf. Da geht sie
zu den Menschen und erzählt davon. Als erste Evangelistin sozusagen. Nach den
Hirten auf dem Felde. Von Hanna möchte ich mir zu eigen machen: auch im Alter
offen für neue Gotteserfahrungen sein. Nicht in der Routine des Alltags
untergehen. Und Gottes gute Botschaft weitergeben.
Simeon und Hanna. Zwei weise, alte Menschen. Maria und Josef
haben von den beiden etwas mit auf ihren Weg bekommen. Zuspruch und Anspruch
zugleich. Segen und Verheißung.
Was daraus alles geschehen wird ist den beiden wohl noch
nicht so klar. Zunächst gilt es, den nahen Alltag zu meistern. Aber knapp 30
Jahre später wird sie wieder emporsteigen, die Erinnerung an diesen Tag. Die
Erinnerung an das, was Simeon und Hanna gesagt haben.
Lassen wir uns auch mit hinein nehmen in die Verheißungen
dieser zwei alten, weisen Menschen. Und vielleicht lassen wir Jüngeren uns einmal
darauf ein, die Lebensweisheiten unserer älteren Gemeindeglieder zu hören.
Vielleicht stecken da ja auch solche Prophezeiungen drin, wie bei Simeon und
Hanna. Vielleicht erleben wir dann auch den Frieden in Jesus Christus, den
Hanna und Simeon gefunden haben.
Denn Frieden haben sie gefunden. Sie haben ihren Frieden mit
ihrem Leben gemacht. Und das alles, weil sie Gottes Zusagen vertraut haben.
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere
Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unseren Herrn.