Sonntag, 16. März 2014

Fürsprache für eine Stadt


Moin zusammen,

Sodom und Gomorra. In der Diskussion um die Steuersache Hoeneß könnte man schnell auf den Gedanken kommen, in der Welt der Reichen herrsche Sodom und Gomorra. Dabei gilt das doch auch für viele andere Lebensbereiche von uns. Und Abrahams Feilschen um Gerechte birgt zusätzlich noch eine andere Betrachtungsweise. Setzt dafür in der folgenden Predigt für 'Heckinghausen' eure Stadt, euer Dorf, euren Stadtteil ein.

Fröhliche Grüße
Bernd


Lieber Vater, schenke Reden, Hören und Verstehen durch deinen Heiligen Geist. Komm Heiliger Geist. Amen

Liebe Gemeinde,

unser heutiger Predigttext steht in 1. Mose 18, 16-33. In der Gottesdienstbibel auf Seite 18 im Alten Testament.

16 Da brachen die Männer auf und wandten sich nach Sodom, und Abraham ging mit ihnen, um sie zu geleiten.
17 Da sprach der HERR: Wie könnte ich Abraham verbergen, was ich tun will,
18 da er doch ein großes und mächtiges Volk werden soll und alle Völker auf Erden in ihm gesegnet werden sollen?
19 Denn dazu habe ich ihn auserkoren, dass er seinen Kindern befehle und seinem Hause nach ihm, dass sie des HERRN Wege halten und tun, was recht und gut ist, auf dass der HERR auf Abraham kommen lasse, was er ihm verheißen hat.
20 Und der HERR sprach: Es ist ein großes Geschrei über Sodom und Gomorra, dass ihre Sünden sehr schwer sind.
21 Darum will ich hinabfahren und sehen, ob sie alles getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist, oder ob's nicht so sei, damit ich's wisse.
22 Und die Männer wandten ihr Angesicht und gingen nach Sodom. Aber Abraham blieb stehen vor dem HERRN
23 und trat zu ihm und sprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen?
24 Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um fünfzig Gerechter willen, die darin wären?
25 Das sei ferne von dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, sodass der Gerechte wäre gleich wie der Gottlose! Das sei ferne von dir! Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten?
26 Der HERR sprach: Finde ich fünfzig Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben.
27 Abraham antwortete und sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin.
28 Es könnten vielleicht fünf weniger als fünfzig Gerechte darin sein; wolltest du denn die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben.
29 Und er fuhr fort mit ihm zu reden und sprach: Man könnte vielleicht vierzig darin finden. Er aber sprach: Ich will ihnen nichts tun um der vierzig willen.
30 Abraham sprach: Zürne nicht, Herr, dass ich noch mehr rede. Man könnte vielleicht dreißig darin finden. Er aber sprach: Finde ich dreißig darin, so will ich ihnen nichts tun.
31 Und er sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, mit dem Herrn zu reden. Man könnte vielleicht zwanzig darin finden. Er antwortete: Ich will sie nicht verderben um der zwanzig willen.
32 Und er sprach: Ach, zürne nicht, Herr, dass ich nur noch einmal rede. Man könnte vielleicht zehn darin finden. Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.
33 Und der HERR ging weg, nachdem er aufgehört hatte, mit Abraham zu reden; und Abraham kehrte wieder um an seinen Ort.

„Fürsprache für eine Stadt“ so steht es im Gemeindebrief.

Aber bevor ich dazu komme, was das in Bezug auf Heckinghausen heißen könnte, erst einmal vier Feststellungen auf dem Weg dorthin.

Erste Feststellung
Vers 7 Da sprach der HERR: Wie könnte ich Abraham verbergen, was ich tun will…
oder
Gott erklärt seine Pläne

Das ist toll. Gott teilt uns hier seine Gedanken mit. Das ist etwas, das das Alte Testament durchzieht. Immer wieder redet Gott mit den Menschen, erklärt sein Handeln. Ob Josef, Abraham oder Noah. Unsere Glaubensväter stehen in Kontakt mit Gott. Reden mit ihm, hören ihn. Von Angesicht zu Angesicht. Und dadurch haben sie einen ganz anderen Zugang zu ihm, als wir das womöglich heute haben.

Zweite Feststellung
Vers 21 Darum will ich hinabfahren und sehen, ob sie alles getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist, oder ob's nicht so sei, damit ich's wisse.
oder
Gott verlässt sich nicht auf Gerüchte

Die Menschen sind Gott nicht egal. Deshalb will er auch genau wissen, was los ist. Nicht nur auf Hörensagen will er sich verlassen. Nein, als treusorgender Vater will er ganz genau wissen, was Sache ist. Erzählt werden kann viel. Gott will sich selber ein Bild machen.

Dritte Feststellung
Vers 22 Und die Männer wandten ihr Angesicht und gingen nach Sodom. Aber Abraham blieb stehen vor dem HERRN
oder
Gott lässt sich zwingen

Abraham traut sich. Er hat am eigenen Leib erlebt, wie Gott handelt. Er hat von ihm einen neuen Namen bekommen. Und ein Versprechen, das so ungeheuerlich erscheint: Mit neunzig Jahren soll seine Frau ein Kind bekommen. Deshalb stellt er sich Gott in den Weg. Deshalb traut er sich mit Gott zu handeln.

Vierte Feststellung
Vers 23 und trat zu ihm und sprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen?
oder
Gottes Gerechtigkeit

Die vielleicht spannendste Frage. Gerecht? Gottlos? Wer entscheidet, was gerecht und was gottlos ist? Darf Abraham Gott diese Frage überhaupt stellen? Darf ich sie heute übernehmen?


Und was heißt das jetzt in Bezug auf Heckinghausen?

Die vier Feststellungen geben uns vier Gestaltungsmöglichkeiten

1. Wir wissen um die Pläne Gottes.

Selbst wenn wir Gott nicht direkt gegenüber stehen. Wenn wir nicht diesen direkten Kontakt haben wie Abraham: Wir wissen doch um Gottes Pläne. Wir haben das Wissen des Neuen Testaments.
„Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“ steht in Matthäus 28, 19f. „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“, in 1. Timotheus 2, 4.
Wir dürfen und sollen von Gott reden, seine guten Taten verbreiten, damit Menschen zu Gott finden. Auch in Heckinghausen.

Und wer sagt denn, dass wir keinen direkten Kontakt zu Gott haben? Vielleicht ist er nicht so körperlich wie damals bei Abraham. Aber Gottes Reden und Handeln in unserem Leben bekommen wir doch auch mit. Vielleicht nicht immer in der Sekunde, wo es geschieht, aber zumindest im Rückblick auf Geschehnisse in unserem Leben erkennen wir ihn.
Von einem guten Freund weiß ich, dass er sich sicher ist, zwar nicht Gott, aber zumindest einem Engel Gottes gegenübergestanden zu haben. Von einem anderen weiß ich, das Gott im Traum zu ihm gesprochen hat. Gott hat bei diesen beiden seine Pläne offenbar gemacht. Und auch ich habe erlebt, dass Gott nahe ist und spricht. Nicht so spektakulär, nicht von Angesicht zu Angesicht, eher leise und schwer verstehbar, aber ich bin mir dessen sicher.
Ich will ermutigen im eigenen Leben nach Begegnungen mit Gott zu suchen. Wenn ich im Rückblick Situationen in meinem Leben als Gottesbegegnung verstehe und erkenne, dann darf ich gewiß sein, das auch heute und in Zukunft solch eine Begegnung mit Gott in meinem Leben möglich ist. So wie Abraham für uns einer der Glaubensväter ist, einer, der uns zeigt, wie es sich mit Gott lebt, so werden wir für künftige Generationen Glaubensväter und -mütter sein. Eben weil wir um Gottes Pläne wissen, eben weil er mit uns redet.

Wenn wir unsere Gottesbegegnungen mitteilen, dann wird das Auswirkungen auf Heckinghausen haben.

2. Wir verlassen uns nicht auf Gerüchte

Auch wir sollten nachahmen, was Gott uns hier vormacht. Wenn wir in diesem Stadtteil leben, wenn wir die Menschen vor Ort erreichen wollen, dann darf uns nicht egal sein, wie sie leben. Dann müssen wir rausgehen und schauen, wie sie leben. Wir müssen ihre Lebensweise ernst nehmen, genau hinsehen, was sie benötigen und dann entsprechend handeln.
Weil viele ältere Menschen in Heckinghausen leben, weil unsere Gemeindeschwestern ihre Ohren am Puls dieser Generation haben, ist unter anderem das Haus für Heckinghausen enstanden.
Weil es in Heckinghausen keinen Kinderchor mehr gab, aber immer noch Interesse am Singen bestand, hat sich der Kinderchor Cantemus im CVJM gegründet. Und als dann freitags die Kinder immer länger Unterricht hatten und zwischen Schule und Chor kaum noch Zeit zu Hause verbringen konnten, gab es eben nicht nur die Chorprobe, sondern auch Mittagessen und Hausaufgabenhilfe dazu.

Wir dürfen uns sicher sein: das Einlassen auf die Menschen vor Ort wird Spuren hinterlassen.
Noch heute treffe ich manchmal Leute, die früher mal in der Teestube gewesen oder auf Jugendfreizeiten mitgefahren sind. Und ganz oft kommt dann im Gespräch heraus, da sie sich gerne an die Zeit in der Gemeinde, im CVJM, erinnern. Nun mag man unken: gerne erinnern heißt noch lange nicht, mit Gott zu leben. Aber wer weiß zum einen, was sich aus dem Erinnern entwickelt. Und zum anderen, wer darf beurteilen, was mit Gott leben heißt.

3. Wir dürfen Gott zwingen

Zwingen ist so ein altertümliches Wort. Und es umfasst auch nicht alles, was Abraham macht, als er sich Gott in den Weg stellt.
Zwingen ist unter anderem auch sich aufraffen, sich durchkämpfen, sich durchringen, seinem Herzen einen Stoß geben, über seinen Schatten springen, sich überwinden; sich [innerlich] einen Ruck geben.

Eine Ausgestaltung davon ist das Gebet.
Gemeindeglieder beten.
Regelmäßig. An den unterschiedlichsten Plätzen, mit den unterschiedlichsten Worten. Und außer Lob und Dank geht es dabei auch um Bitten.
Da findet eine Jugendfreizeit in unserer Gemeinde statt und Gemeindeglieder beten für das Gelingen der Freizeit, für die Bewahrung vor Gefahren und dafür, dass Jugendliche sich zu Gott bekennen.
Jeden Mittwoch treffen sich Gemeindeglieder zum Gebetskreis. Sie bringen viele Dinge aus unserer Gemeinde vor Gott. Und nicht nur Dinge, sondern vor allen Menschen aus unserem Heckinghausen. Menschen, die in ihrer gegenwärtigen Lebenssituation Hilfe oder Zuspruch benötigen. Oder Menschen, die am Herzen liegen und Gott genannt werden sollen.
Und mit jeder Bitte wollen wir doch Gott auffordern, in unserem Sinne zu handeln. Ganz oft eben nicht für uns, sondern für andere.

Abraham konnte sich Gott körperlich in den Weg zu stellen, um für die Menschen zu bitten, um sie zu ringen. Wir dürfen das heute mit Worten. Mit Gott reden. Wenn wir unsere Erfahrungen mit Gott betrachten, wenn wir erlebt haben, wie er unser Leben zum Guten verändert hat, dann können wir doch nicht anders als ihn darum zu bitten, das er das auch andere Menschen erleben lässt. Wir brauchen keine Angst haben, das er uns auslacht, keine Angst, dass er uns aus dem Weg geht. Schon in Psalm 50,15 fordert er uns auf „Rufe mich an in der Not“. Gott selbst fordert uns auf für unsere Mitmenschen einzutreten.

Und in Lukas 18, 1-8 erzählt uns Jesus das Gleichnis von der bittenden Witwe: 1 Er sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten, 2 und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen.
3 Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! 4 Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, 5 will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage. 6 Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! 7 Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's bei ihnen lange hinziehen? 8 Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?
Margot Käßmann hat dazu letztes Jahr auf dem Kirchentag gesagt: (www.ekd.de/kultur/vortraege/20130502_kaessmann_dekt_bibelarbeit.html) Gott, lass Recht werden! …Recht und Gerechtigkeit, die Lebensräume für Menschen öffnen, das brauchen wir, das erhoffen wir, dafür beten und handeln wir. Lukas will die Hörenden und Lesenden bestärken: Lasst euch nicht entmutigen, macht weiter, nervt, wenn es notwendig ist. Ja, nervt vielleicht sogar Gott durch euer ununterbrochenes Gebet.“

Für Heckinghausen sollten wir dem nacheifern.

4. Wir richten nicht

Hat unser Stadtteil es verdient, dass wir uns so für ihn einsetzen? Haben die Menschen in Heckinghausen es verdient? Auf jeden Fall!

Es geht hier nämlich überhaupt nicht um Verdienst. Gerecht oder gottlos? Schon in Psalm 1 wird zwar davon gesprochen, dass es nicht gut ist im Rat des Gottlosen zu wandeln, aber wie das Wandeln aussehen soll, da steht nichts von drin. Abraham geht im Predigttext ja auch nicht her und beurteilt, ob Sodom und Gomorra gottlos sind. Er geht wohl davon aus, dass es dort Gottlose gibt, aber er ringt mit Gott um der Gerechten willen. Selbst wenn es wenige sein sollten.

Aber ganz ehrlich. Ich ertappe mich doch immer wieder dabei, dass ich denke: ich weiß was richtig ist und… - Moment, das ist ja das Problem: was in meinen Augen richtig ist, ist ja nicht unbedingt gerecht. Richtig und gerecht sind zwei unterschiedliche Dinge. Gott hat eine ganz andere Vorstellung von gottlos und gerecht.
„Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen zu Gerechten“ so steht es in Röm 5, 19. Der eine Gerechte ist für die vielen Gottlosen gestorben. Er ist für sie ans Kreuz genagelt worden. Der Eine ist Jesus Christus. Und die Vielen sind wir. Weil eben Jesus für unser Unrecht, unsere Sünden am Kreuz gestorben ist, sind wir gerecht geworden. Jesus Christus hat unser gottloses Leben beendet und uns die Chance auf einen Neuanfang geschenkt. Ginge es nach menschlichem Ermessen hätten wir Menschen es nicht verdient auf die gerechte Seite zu wechseln. Weil es aber nach Gottes Gerechtigkeit geht wird uns der Wechsel ermöglicht. Und wenn uns in der Gemeinde das schon ermöglicht wird, um wie viel mehr muss es dann den Menschen in Heckinghausen ermöglicht werden. Das ist nämlich Gottes Gnade.
Damit das möglich wird stehen wir in der Verantwortung. Eben weil wir um Gottes Pläne wissen, müssen wir nicht über die Menschen richten. Aber wir müssen für sie eintreten.

Wir reden von unseren Erfahrungen mit Gott in Heckinghausen
Wir reden mit den Menschen in Heckinghausen
Wir reden mit Gott über Heckinghausen

Wie Ulrike Oetken formuliert (www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv.php?a=show&id=2423): „Es braucht Menschen, die nicht von vorneherein wissen, wo die Grenze zwischen Gut und Böse verläuft, die nach Hintergründen und Ursachen fragen. Und es braucht Menschen, die in Kontakt mit Gott stehen, die seine Gnade herabflehen und an seine Gerechtigkeit appellieren. Menschen, die den Glauben lebendig halten, dass einer gereicht hat, um alle zu retten, und niemand das Recht hat, einen anderen vor Gott schuldig zu sprechen. Und vielleicht fallen sie damit ins Gewicht, so dass Gott über sie sagen kann: um ihretwillen.“

Amen