Sonntag, 3. April 2022

Macht macht kaputt

Moin zusammen,

nach gefühlter Ewigkeit endlich wieder ein Präsenzgottesdienst. Nachdem die letzten Vertretungsgottesdienste auf Grund der Pandemie immer nur im Web stattfanden diesmal mit Gemeindegliedern vor Ort. Ach war das schön :-) 

Und auch das Thema in der Passionszeit hat es in sich: Macht! Gerade in diesen Zeiten mit Krieg, mit Machtmißbrauch durch Politiker und Kapital ein nicht enden wollendes Thema.

Was sagt die Bibel dazu? Ein paar Gedankenanstöße gebe ich euch gerne mit.

Bleibt gesund und behütet
Fröhliche Grüße
Bernd

 

Lieber Vater, schenk uns ein Herz für dein Wort und dein Wort für unser Herz. Amen

Liebe Gemeinde,

als vor ein paar Wochen der Wald im Osterholz von der Polizei geräumt wurde, sah ich in der Berichterstattung darüber ein Plakat auf dem stand „Macht macht kaputt! Macht Macht kaputt!“.

Nur ein paar Tage nach der Räumung begann der russische Diktator Putin seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Um Macht geht es auch in unserem heutigen Predigttext. Vielleicht nicht unbedingt so, wie wir uns das mit der Macht vorstellen. Aber hört selber.

Markus 10, 35-45.   

35 Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen zu ihm: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, was wir dich bitten werden.

36 Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue?

37 Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.

38 Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?

39 Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde;

40 zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das zu geben steht mir nicht zu, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist.

41 Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes.

42 Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an.

43 Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein;

44 und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.

45 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele. 

Mit Jakobus und Johannes, Jesus und den Jüngern haben wir drei Menschen bzw. Menschengruppen in diesem Text. Ich habe euch dazu drei Gedanken mitgebracht.

1. Jakobus und Johannes 

Jakobus und Johannes trauen sich was. Unverblümt sprechen sie Jesus an, sie wollen etwas von ihm. Nicht irgendetwas kleines, unbedeutendes. Nein, sie wollen rechts und links von ihm sitzen, wenn das Himmelreich angebrochen ist.

Unglaublich ist das. Halten sie sich etwa für wichtiger, als die anderen Jünger? Meinen sie mehr Anrecht darauf zu haben, weil ihr Vater es sich leisten konnte, Tagelöhner anzustellen (Mk 1,20).

Da sehen wir mal wieder, dass in der Bibel nicht nur perfekte Menschen als Glaubensvorbilder gezeigt werden. Im Gegenteil. Der Großteil der Jünger, viele Glaubensmütter- und väter im Alten Testament sind lange nicht so klare, aufrechte Christenmenschen, wie oft gedacht wird. Im Gegenteil, sie haben alle ihre Stärken aber eben auch Schwächen. So richtig menschlich sind sie. Wie ihr und ich.

Das finde ich tröstlich. Oft zweifle ich, ob ich mich denn überhaupt Christ nennen darf. Nicht immer verhalte ich mich so, wie ich es doch eigentlich durch Jesus besser weiß. Und wie manch andere Christen es für mich besser zu wissen meinen. Von Jakobus und Johannes lerne ich, dass ich fehlerbehaftet sein darf. Oder besser, dass ich meine Bedürfnisse aussprechen, meine offenen Fragen stellen darf auch wenn sie gegenläufig zur vorherrschenden Meinung zu sein scheinen, wenn diese nicht glaubenskonform erscheinen. Selbst wenn andere meinen, mit solch einer Frage darf man sich doch nicht an Jesus wenden.

Jakobus und Johannes glauben an Jesus. Ihre Anfrage geht klar davon aus, dass Jesus versprochene Herrlichkeit anbrechen wird. Sie zweifeln nicht an Gottes Reich. Trotz der offensichtlichen Anfeindungen durch die damaligen religiösen Führer, trotz Jesus Todesankündigung kurz vorher „…sie werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden überantworten, und die werden ihn verspotten und anspeien und geißeln und töten,…“ (Mk 35, 33-34) sind sie überzeugt von ihm.

Das spornt mich an. Diese Zuversicht, die die beiden haben trotz aller widersprüchlichen Umstände ist bemerkenswert. Davon schneide ich mir gerne eine Scheibe ab. Von Jakobus und Johannes lerne ich: Egal welche weltlichen Probleme mich umgeben, dass Jesus letztlich Sieger war, ist und sein wird steht unumstößlich fest.

Selbst wenn die Mächtigen der Welt mir anderes erzählen. Selbst wenn sie Kriege vom Zaun brechen, um selber als Sieger dazu stehen. Sie werden es nie erreichen. Nur Jesus bleibt Sieger.

2. Jesus

Jesus ist verständnisvoll. Er weist die Forderung der beiden nicht ab. Er verurteilt sie nicht. Für ihn spielt es keine Rolle, ob die beiden sich hervortun wollen oder für etwas Besseres halten.

Jesus stellt nur eine Anfrage: Könnt ihr das aushalten, was ich auszuhalten habe? Anders gefragt: Könnt ihr das annehmen, was Gott für mich vorgesehen hat?

Diese Frage geht auch an euch und mich. Halten wir aus, was Gott für unser Leben vorgesehen hat? Nicht nur die schönen Seiten des Lebens, sondern vor allem die schwierigen Zeiten. Die Momente, in denen Gott so unendlich weit entfernt scheint.

Den Kelch des Lebens annehmen heißt, den Kelch des Grimms (Jes. 51, 17) zu ertragen. Jesus Taufe anzunehmen heißt, wie er untergetaucht zu werden. Dieses untergetaucht wird im Griechischen in Zusammenhang mit Erfahrung gebraucht. (W. Barclay, Markusevangelium, S228) In Psalm 124,4 wird uns vor Augen geführt, was Jesus damit meint: „…so ersäufte uns Wasser, Ströme gingen über unsre Seele…“.

Jesus verspricht kein ruhiges, friedliches Leben.

Und er weist darauf hin, dass nicht er zu entscheiden hat, sondern dass alle und alles in Gottes Hand liegt.

Von Jesus lerne ich, Gott ist Schöpfer dieser Welt. Gott ist Anfang und Ende. Er wird es wohl machen (Ps 37,5).

3. Jünger

Die Jünger ärgern sich. Da wollen zwei aus ihrer Mitte sich nach ihrem Denken tatsächlich einen Vorteil verschaffen, sich über andere setzen. Das darf doch nicht sein. Das ist doch ungerecht. Leben mit Jesus soll gerecht sein und keinen weltlichen Maßstäben von Macht und Anspruch entsprechen. 

Jesus bestätigt sie darin. Und er geht sogar noch weiter. Diener und Knecht sollen die Jünger sein. Nicht Fürst oder Mächtiger. Er selbst will mit gutem Beispiel vorangehen und dienen, ja sogar sein Leben zur Erlösung für viele geben.

Also keine politischen Weltbestimmer, keine Vorstands-vorsitzende oder sonstigen selbsternannten Anführern, die danach entscheiden, wie ihre Vormachtstellung und ihr Reichtum untermauert und vermehrt werden kann?

Wie so vieles im Leben kann das nicht pauschal beantwortet werden. 

Ich lerne hier mit den Jüngern, dass in Gottes Reich ein anderer Maßstab angelegt wird, als er mir von dieser Welt, von meinem Umfeld bekannt ist. Macht, Geld und Neid gibt es in Gottes Reich nicht. Es geht allein darum, dem anderen zu dienen. Zu dienen meint, den anderen anzuerkennen als das, was er in erster Linie ist: Mensch, von Gott geschaffen.

William Barclay beschreibt es so: „Die Welt braucht Menschen, die bereit sind zu dienen, Menschen, die sich klar darüber sind, wie nüchtern und sachlich Jesus die Dinge sah.“

Wenn ich bereit bin, den anderen durch die Augen Jesus zu sehen, ihn als Gottes Geschöpf anzuerkennen, dann bin ich bereit ihm zu dienen. Das heißt, mehr zu geben als zu empfangen. Und wenn andere Menschen auch so denken und handeln wird die Welt zwangsläufig eine andere. 

Lasst uns damit in unserem Umfeld anfangen. Wie ein kleiner Stein, der ins Wasser geworfen wird immer größere Kreise zieht, so wird unser kleiner Anfang des Dienens der Beginn einer größeren Veränderung im Denken und Handeln der Menschen sein.

Und am Ende werden zu Jüngern alle Völker der Welt. Es wird Friede herrschen unter den Menschen und Gott in der Höhe die Ehre gegeben. 

Ich will schließen mit Worten von Thorsten Latzel, dem Präses der EKiR, die er am 14. März diesen Jahres in seinen theologischen Impulsen schreibt:

„„Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ (Offb 21,4)

Und einmal werden wir gemeinsam am Tisch des Herrn sitzen. Gemeinsam mit Menschen aus allen Ländern. Da wird es kein oben und unten geben. Keine Platzkarten für die Mächtigen. Keine Türsteher, die andere raushalten. Nur Christus, der als die Liebe selbst alle dazu einlädt.

Gebe Gott, dass Krieg und Töten in der Ukraine aufhören, ebenso an vielen anderen Orten – auch wenn wir im Augenblick nicht wissen, wie. Gebe Gott, dass die Menschen jetzt zu uns fliehen, Hilfe und Trost erfahren, ebenso wie die Flüchtenden aus anderen Kriegen. Und gebe Gott uns die Kraft, für diese Menschen dazu sein und selbst weiter alles zu tun, damit das Töten endet.“

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unseren Herrn.