das ist gar nicht so einfach in einer Gemeinde. Da sind nicht nur Menschen, die ich mag. Nein, da sind auch Menschen, mit denen ich es nicht so kann.
Im 1. Johannesbrief gibt es einen Abschnitt dazu. Und davon handelt auch die Predigt heute.
Fröhliche Grüße
Bernd
Lieber Vater, schenk uns ein Herz für dein Wort und dein
Wort für unser Herz. Amen
Liebe Gemeinde,
das Thema unter
dem das Gemeindewochenende und der heutige Gottesdienst stehen ist der Auftakt zu
einer dreiteiligen Predigtreihe zum Thema „Gemeindekultur“.
Heute
1. Joh 4,7-12: Gemeindekultur - Umgang untereinander
Am 19. Februar Phil 2,1-5: Gemeindekultur - Leitbild Jesus.
Und zum Abschluss Lk 17,3-7: Gemeindekultur - Fokus Auftrag.
Heute also 1. Johannes 4, die Verse 7-12.
Die Liebe Gottes und
die Liebe untereinander
7 Ihr Lieben, lasst
uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist
aus Gott geboren und kennt Gott.
8 Wer nicht liebt, der
kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.
9 Darin ist erschienen
die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in
die Welt, damit wir durch ihn leben sollen.
10 Darin besteht die
Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und
gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.
11 Ihr Lieben, hat uns
Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben.
12 Niemand hat Gott
jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und
seine Liebe ist in uns vollkommen.
„Ich denk' gern' zurück
an die Zeit von Harmonie und Glück,
als ich täglich in ein Poesiealbum schrieb:
Piep, piep, piep, ich hab' Dich lieb.“
Das hat vor fast 20 Jahren Guildo Horn beim Eurovision Song
Contest (Grand prix Eurovision de la Chanson) gesungen.
‚Ihr Lieben, lasst uns
einander lieb haben’.
So beginnt der Text. Und als ich den Predigttext in der Vorbereitung das erste
Mal gelesen habe, dachte ich sofort an Guildos Text und ein kleines Experiment.
Wir fassen uns jetzt alle mal an den Händen, sprechen ‚Piep, piep, piep, wir
haben uns alle lieb’, und halten uns bis zum Ende der Predigt fest. Mal sehen,
wer wie lange durchhält.
Nein – keine Angst. Ich mag es auch nicht, wenn ich im
Gottesdienst zu solchen Aktionen aufgerufen werde. Deshalb machen wir das auch
nicht. Aber so ein bisschen erinnert mich unser Predigttext an solch eine
Vertrauensübung.
Weiter geht es mit „Denn
Gott ist Liebe“. Um Gottes Liebe geht es.
Und dann noch: „So
sollen wir uns auch untereinander lieben.“ Das wird in dem Text gefordert.
Ein Text also, der fast mehr Fragen aufwirft, als das er
Antworten gibt. Ich will versuchen in drei Abschnitten den Text für uns zu
öffnen: Menschenliebe, Gottesliebe, Gemeindeliebe
1. Menschenliebe
‚Ihr Lieben, lasst uns
einander lieb haben’.
Laut Duden ist Liebe unter anderem ein „starkes Gefühl des
Hingezogenseins; starke, im Gefühl begründete Zuneigung zu einem
[nahestehenden] Menschen auf starker körperlicher, geistiger, seelischer
Anziehung beruhende Bindung an einen bestimmten Menschen, verbunden mit dem
Wunsch nach Zusammensein, Hingabe o. Ä.“
Lieb wird beschrieben als „Liebe, Freundlichkeit, Zuneigung,
Herzlichkeit zum Ausdruck bringend“ „durch seine liebenswerte, angenehme
Wesensart, Freundlichkeit Zuneigung auf sich ziehend“ oder „mit seinem
Verhalten Freude bereitend“ und „(besonders österreichisch) gefällig, nett,
liebenswert (auch von Gegenständen)“ sein. Dazu kommt noch „jemandes Liebe,
Zuneigung besitzend; geliebt, geschätzt“ und „willkommen, angenehm“ sein.
Nett und freundlich wollen wir miteinander umgehen.
Konfliktfrei, ohne Streit, völlig harmonisch leben. Den anderen annehmen, wie
er ist. Wertschätzend, achtsam, barmherzig mit jedem umgehen.
Ist es das, was wir Menschen unter Liebe verstehen?
Es gibt doch so viele Spielarten von Liebe.
Die Liebe zu meinen Eltern, meiner Frau, meinen Kindern,
meinen Freunden. Vier unterschiedliche Lieben meines Lebens.
Meine Eltern konnte ich mir nicht aussuchen, ich bin als
Ausdruck ihrer großen Liebe zur Welt gekommen.
Meine Frau habe ich kennen und lieben gelernt. Und
zwar diese eine Frau und keine andere.
Meine Kinder sind aus der Liebe zu und mit meiner Frau
entstanden.
Meine Freunde habe ich mir ausgesucht. Ich habe sie näher
kennengelernt und weil die Chemie stimmte und wir ähnliche Interessen haben
sind wir zusammengeblieben.
Ohne Konflikte, voller Harmonie sind diese Lieben meines
Lebens allerdings nicht.
Mit meinen Eltern habe ich manchen Strauß in der
Vergangenheit ausgefochten. Wir haben eben nicht immer dieselben Ansichten,
sind unterschiedlicher Meinung über christliche, soziale oder politische
Vorstellungen.
Menschen aus dieser Gemeinde gaben uns zur
Hochzeit den Ratschlag niemals die Sonne über einen Streit untergehen zu
lassen. Ehrlich gesagt habe zumindest ich das nicht jedes Mal auf die Reihe
bekommen. Aber wir haben immer einen gemeinsamen Weg gefunden unsere Konflikte
zu lösen.
Mit meinen Kindern habe ich auch immer wieder mal Streit.
Unterschiedliche Auffassungen von Erziehung, pubertäres Kindergebaren und
väterliches Rechthabenwollen spielen da die größte Rolle. Aber zum Glück werden
wir gemeinsam älter und weiser.
Selbst der Umgang mit meinen selbstgewählten Freunden ist
nicht konfliktlos. Manches Verhalten wird nicht verstanden.
Aber lieb habe ich alle Menschen aus diesen vier Bereichen.
Und ich denke, dass das umgekehrt genauso ist. Meine Familie
und meine Freunde haben mich auch lieb. Und aus diesem liebhaben, dieser Liebe
zueinander, erwächst eine Kultur. Ich darf Dinge sagen, die ich eben nicht
allen Menschen sagen kann. Ich kann auch Dinge hören, die mir nicht alle
Menschen sagen dürfen.
Für mich sind die vorgenannten Dinge gute Ausprägungen der
Liebe. Aber eben auch begrenzte Ausprägungen. Es ist ja auch eine begrenzte
Anzahl an Menschen mit denen ich diese Liebe lebe.
Manche Menschen mögen das Vorgenannte anders sehen. Es gibt
Menschen, die Liebe anders definieren, die eine starke Eigenliebe in den
Vordergrund stellen, die Unterordnung damit verbinden, vielleicht sogar
Abhängigkeit.
Menschenliebe hat viele Schattierungen. Und in meiner
Bewertung eben auch manche Spielarten, die ich nicht verstehe, manchmal sogar
nicht gutheiße.
Menschenliebe ist immer abhängig von dem Menschen, der liebt,
und dem Menschen, der geliebt wird. Das
ist ein Unterschied zu der Gottesliebe.
Und der widmen wir uns jetzt.
2. Gottesliebe
„Gott ist Liebe“. Reine, unschuldige Liebe. Wobei
rein und unschuldig schon Eigenschaften sind, die ich als Mensch der Liebe
zuspreche. A. Schlatter hat in seinen Erläuterungen zum NT Bd. 10 gesagt: „Was
wir über Gott sagen und denken, nimmt notwendiger Weise unsere eigene Farbe an,
und das ist eine falsche Farbe, die ihn entstellt und unsere Gedanken über ihn
unwahr macht…Wer in seiner leeren, nichtigen Selbstsucht eingeschlossen ist,
denkt sich auch die Welt hohl…Er macht sich eine Welt und einen Gott, wie sie
seine Selbstsucht nicht stören, sondern ihr dienlich sind, und ist darum auch
gegen alle Zeugnisse, durch die Gottes Gnade zu uns redet und unter uns wirkt,
blind.“
„Gott ist Liebe“. Und ich als Mensch kann das nicht
verstehen. Weil Gott das aber weiß, hat er Jesus in die Welt geschickt, hat ihn
für mich am Kreuz jämmerlich sterben lassen.
„Nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns
geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.“ Hier
kommt es klar zum Ausdruck: Nicht ich, nicht wir können Gottes Liebe
nachvollziehen.
Oder wie es Werner de Boor in der Wuppertaler Studienbibel
schreibt: „Nicht wir haben Gott geliebt, nicht wir haben das große Gebot der
Liebe zu Gott erfüllt. Darin liegt unsere Wesenssünde, aus der alle
Einzelsünden folgen…Daraus kann uns…keine Anstrengung, Gott zu lieben,
heraushelfen.“
„Gott ist Liebe“. Weil er das ist, hat er die Welt
geschaffen, hat er uns Menschen geschaffen. Wir sind Ausdruck seiner Liebe. Deshalb
sorgt er für uns, deshalb begleitet er uns. Aber deshalb lässt er uns auch die
freie Entscheidung. Gott ist Liebe, wie sie in 1. Kor. 13 beschrieben wird: „4 Die Liebe ist langmütig und freundlich,
die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht
auf,
5 sie verhält sich
nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie
rechnet das Böse nicht zu,
6 sie freut sich nicht
über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
7 sie erträgt alles,
sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“
Egal was geschieht, egal wie ich als Mensch mich verhalte,
welche Irrwege ich in Gottes Augen gehe: er ist Liebe. Er hält mir die Treue.
Gottesliebe ist mit menschlichen Worten einfach nicht
erklärbar. Sie ist mit menschlichem Verstand nicht fassbar. „Doch weil Gott
Liebe ist, können wir sicher sein, dass die Wechselfälle des Lebens nicht das
letzte Wort behalten, sondern dass die Liebe Gottes das Gleichgewicht des
Lebens wiederherstellen wird.“ (W. Barclay)
Wir haben also Menschenliebe und Gottesliebe.
Die eine bereitet uns immer wieder Schwierigkeiten. Wir
verzweifeln oft an ihr, wollen mal zuviel und mal zu wenig.
Die andere hilft, trotz allem leben zu können.
Und jetzt kommt noch eine dritte hinzu.
3. Gemeindeliebe
Gemeinde ist ja ein Ort, an dem unterschiedliche Menschen
zusammenkommen. In Heckinghausen schon sehr lange und seit 1997 unter dem
Leitmotiv „Gott feiern, Leben teilen, für Menschen da sein“.
Dieses Leitmotiv mit Leben zu füllen ist unser Bestreben als
Gemeinde. Damit Gott sichtbar wird in Heckinghausen.
Allerdings sagt uns Johannes „Niemand hat Gott jemals gesehen.“ Stimmt. Keiner von hat jemals
Gott gesehen. Da stehen wir in der Tradition Mose (2. Mo 33, 15-20) und aller
nachfolgenden Generationen. Niemand hat jemals Gott gesehen heißt auch,
niemand kann mit Endgültigkeit sagen,
wie Gott unser Leben, unser Verhalten bewertet. Ob er es überhaupt bewertet.
Sichtbar wird aber in Heckinghausen, wie wir als Gemeindeglieder Gottes Liebe
ausdrücken. Wie wir in Wort und Tat versuchen ihn im Stadtteil bekannt zu
machen und dazu aufrufen ihm nachzufolgen.
Hilfreich dabei wäre es, wenn „wir uns auch untereinander lieben“. In der Elberfelder Übersetzung
heißt es noch treffender „wenn Gott uns
so geliebt hat, sind auch wir schuldig, einander zu lieben“. Nochmal Werner
de Boor: „Wer diese Liebe wirklich erfährt und annimmt, der kann gar nicht
anders, als nun auch seinerseits zu lieben. Er ist das der erfahrenen Liebe
Gottes schuldig. Und doch können wir leider auch immer wieder lieblos sein und
brauchen die eindringliche Erinnerung an unsere Schuldigkeit, wie sie Johannes
den Gemeinden hier gibt. Dabei wird unsere Liebe untereinander etwas von der
besonderen Art der Liebe Gottes an sich haben und tragende, vergebende,
erbarmende, zurechthelfende Liebe sein müssen.“
Und wenn das geschieht, so
bleibt Gott in uns.
Das heißt, Gott ist mir nahe, wenn ich mein Gegenüber liebe.
In all seinen Facetten. Ich spüre dann Gottes Nähe. Weil ich etwas von Gottes
Wesen erfahre. Und kann es Schöneres geben, als Gott zu spüren? Ganz nahe?
Schaut euch um. Wie viele Leute sitzen hier, die sich nicht
lieben? Die sich nicht mögen? Die einfach nichts voneinander wissen, was zu
einer liebenden Beziehung führen könnte? Die gemeinsam Gott feiern, aber eben
nicht Leben teilen?
Und alle sind Menschen, die Gottes Liebe antreibt.
Wie könnte also ein Umgang miteinander aussehen, der das
verändert? Der Gottes Liebe sichtbar werden lässt?
Gehören gegenseitiger Respekt, Achtung, Wertschätzung,
Achtsamkeit und Barmherzigkeit zu einem liebevollen Umgang miteinander dazu?
Vielleicht auch manchmal Ermahnung, Zurechtweisung, Grenzen
setzen?
Ist es wichtig, sich nicht über den anderen zu stellen, den
anderen mit allen Charakterstärken und auch Charakterschwächen anzunehmen?
Diese Fragen muss jeder für sich beantworten. Da gibt es
keine bindende Antwort drauf. Wir sollten nur bedenken: Gemeinde lebt von
unterschiedlichen Ansichten, verschiedenen Lebensentwürfen. Sie lebt eben durch
die Verschiedenheit der einzelnen Menschen, die sie bilden.
„Wenn wir wie Gott lieben könnten, würden wir unabhängig
werden von unseren Gefühlen und Stimmungen, von unseren Sympathien und
Abneigungen und Bedenken. Wir würden Fehler und Schwächen ertragen lernen, die
eigenen und die der anderen. Und wir würden Altes nicht aufrechnen. Wir würden
für alle da sein können, die uns brauchen, ganz gleich, ob sie nach
menschlichem Ermessen unsere Liebe verdient haben oder nicht.“ Das schreibt die
Schweizer Prädikantin Dagmar Magold.
Ein guter Tipp für den Umgang miteinander in unserer
Gemeinde.
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere
Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unseren Herrn.
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