Moin zusammen,
geht euch das auch manchmal so: schon lange Christ, aber an den Moment der Berufung und der damit verbundenen Leidenschaft wird nicht mehr so oft gedacht. Gut das in der Perikope von heute an die Berufung der ersten Jünger erinnert wird.
Lasst euch mit erinnern.
Fröhliche Grüße
Bernd
Lieber Vater, schenk uns ein Herz für dein Wort und dein
Wort für unser Herz. Amen
Liebe Gemeinde,
ich bin müde. Sehr müde. Die ganze Nacht hindurch bin ich
gefahren. 640 km. Einmal Tanken, Beine vertreten und aufs Klo. Mehr war nicht
drin. Und das alles, weil ich dem Stau zum Urlaubsbeginn aus dem Weg gehen
möchte. Aber jetzt bin ich da. Wagen auspacken, kurz einkaufen und dann kann
der Urlaub beginnen. Jedes Jahr am ersten Ferientag läuft das so. Meine Familie
erträgt das. Ob gerne – da bin ich mir nicht so sicher. Aber immerhin ist eines
sicher: jetzt beginnt eine der schönsten Zeiten im Jahr – Urlaubszeit.
Im heutigen Predigttext ist auch jemand sehr müde. Aber der
Grund ist ein komplett anderer. Nicht der Urlaub steht im Vordergrund, sondern
die Arbeit. Und dann auch noch ein außergewöhnliches Erlebnis gepaart mit einer
besonderen Erkenntnis. In Lukas 5, die Verse 1-11. Hier nach der Neuen Genfer Übersetzung:
Die Berufung der
ersten Jünger
1 Eines Tages stand
Jesus am See Gennesaret; eine große Menschenmenge drängte sich um ihn und
wollte das Wort Gottes hören.
2 Da sah er zwei Boote
am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten ihre Netze.
3 Jesus stieg in das
Boot, das Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit auf den See
hinauszufahren. So konnte er im Boot sitzen und von dort aus zu den Menschen
sprechen.
4 Als er aufgehört
hatte zu reden, wandte er sich an Simon und sagte: »Fahr jetzt weiter hinaus
auf den See; werft dort eure Netze zum Fang aus!«
5 Simon antwortete:
»Meister, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und haben nichts gefangen.
Aber weil du es sagst, will ich die Netze auswerfen.«
6 Das taten sie dann
auch, und sie fingen eine solche Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen
begannen.
7 Deshalb winkten sie
den Fischern im anderen Boot, sie sollten kommen und mit anpacken. Zusammen
füllten sie die beiden Boote, bis diese schließlich so voll waren, dass sie zu
sinken drohten.
8 Als Simon Petrus das
sah, warf er sich vor Jesus auf die Knie und sagte: »Herr, geh fort von mir!
Ich bin ein sündiger Mensch.«
9 Denn ihm und allen,
die bei ihm im Boot waren, war der Schreck in die Glieder gefahren, weil sie
solch einen Fang gemacht hatten,
10 und genauso ging es
Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus, die zusammen mit Simon Fischfang
betrieben. Doch Jesus sagte zu Simon: »Du brauchst dich nicht zu fürchten. Von
jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein.«
11 Da zogen sie die
Boote an Land, ließen alles zurück und schlossen sich ihm an.
Da ist also der müde Simon. Von Jesus im Laufe unseres
Textes mit dem Beinamen Petrus belegt. Von der Arbeit geschafft erledigt er mit
seinen Arbeitskollegen noch die letzten Dinge, die zur Fischerei dazugehören:
Flicken und Reinigen der Netze. Diesmal sind sie nicht unter sich. Eine große
Menschenmenge hat sich am Strand versammelt.
„Was wollen die nur? Ach egal, nur noch die Netze säubern
und dann ab ins Bett. Ich bin zu geschafft, um mir darüber Gedanken zu machen“
denkt sich Petrus.
Während sie da am Strand vor sich hin arbeiten steigt jemand
in sein Boot ein. Jetzt kommt Bewegung in ihn: „Was hat der Mensch da nur
verloren? Den werde ich jetzt…“
Wir lernen Petrus Temperament im Laufe der weiteren
biblischen Geschichten ja noch kennen. Aber heute wird er doch etwas ruhiger.
Der Mann im Boot, das ist ja Jesus. Der Jesus, der vor noch nicht allzu langer
Zeit seine Schwiegermutter von einem hohen Fieber geheilt hatte, wie wir in Lk.
4, 38-40 nachlesen können. Und der spricht ihn auch direkt an, freundlich,
höflich.
„Fahr mich ein Stück raus auf den See, damit die Menschen
hier mich besser verstehen.“
„Naja, eine Hand wäscht die andere. Du hast meine
Schwiegermutter geheilt, fahre ich dich also raus. Aber bitte denk dran: ich
komm von der Nachtschicht.“
Und so ruft er ein paar seiner Leute zusammen und fährt mit
Jesus ein Stück auf den See hinaus. Während Jesus zu den Menschen am Ufer redet,
flickt Petrus weiter seine Netze. Was Jesus sagt bekommt er gar nicht mit.
Wir ja übrigens auch nicht. Im Text steht kein Wort davon.
Nur das die Menschen Gottes Wort hören wollten und Jesus zu ihnen spricht.
„Fahr jetzt weiter
hinaus auf den See; werft dort eure Netze zum Fang aus!“
Moment mal. Plötzlich wird Petrus aus seiner Lethargie
herausgerissen.
„Fahr jetzt weiter
hinaus auf den See; werft dort eure Netze zum Fang aus!“
Das hat Jesus gerade zu ihm gesagt. Was soll das denn. Nicht
genug, das er ihn hierher gerudert hat, das er länger geblieben ist, als er
zunächst wollte. Sogar die Netze sind fertig. Eigentlich Zeit nach Hause zu
kommen. Die Menschen, zu denen Jesus gesprochen hat, gehen auch gerade nach
Hause, vermutlich zu ihrem Tagwerk. Es könnte jetzt doch zurück ans Ufer gehen
und ab ins Bett, um für die kommende Nacht fit zu sein. Nicht in die entgegen gesetzte
Richtung. Nicht zurück an die Arbeit. Was hat dieser Jesus nur. Das ist doch
nicht sinnvoll, was er sagt. "Fische werden nachts gefangen und nicht am Tag. Jetzt schwimmen
die Fische tiefer unten, wo meine Netze gar nicht hinkommen. Und außerdem fängt
man die Fische eher im seichten Wasser, wo sie nachts an die Oberfläche kommen,
um
Nahrung aufzunehmen, aber doch nicht mitten im See."
Doch, nur zur Erinnerung, er hat meine Schwiegermutter
geheilt. „Aber weil du es sagst, will ich die Netze auswerfen.“ Also wieder
hinaus auf See. Die schweren Netze über Bord geworfen. „Nicht dran denken, dass
das ganze Flick- und Reinigungsprozedere gleich noch mal gemacht werden muss.
Und wofür das alles? Nur weil Jesus es sagt. Der hat doch keine Ahnung.
Zimmermann ist er, kein Fischer wie ich.“
Und wie Petrus sich so seine Gedanken macht, erschrickt er
plötzlich. Es ruckt an den Netzen. Er kann sie kaum noch halten. Selbst mit
seinen Kollegen zusammen nicht. Das kann doch gar nicht sein. Schnell die
restlichen Fischer am Ufer gerufen. Mit lauter Stimme: „Hierher, hierher. Helft
uns, wir fangen soviel, das können wir alleine nicht bewältigen. Unser Boot
sinkt schon fast.“ Die Müdigkeit ist wie weggeblasen. Nur noch die Arbeit
zählt. Das Wissen, das mit diesem Fang ein großer Lohn auf alle zukommt. Das
zweite Boot kommt. Auch das wird mit Fisch gefüllt bis zur Oberkante. Aber so
mühselig die Arbeit ist, das Adrenalin und die eingespielte Zusammenarbeit
sorgt dafür, das alles klappt.
Erst auf der Rückfahrt wird Petrus dann klar, was passiert
ist. Ein Fischfang, der nie hätte klappen dürfen. Und ihm fiel wieder ein, was
über Jesus erzählt wird. Wie er in den Synagogen lehrt und von allen hoch
geachtet wird, wie er in der Synagoge von Kafarnaum einen bösen Geist
ausgetrieben hat. Und hat er nicht die Heilung seiner Schwiegermutter mitbekommen.
„Herr, geh fort von
mir! Ich bin ein sündiger Mensch“ bricht es aus Petrus heraus.
Logisch wäre doch zu denken: Mensch, super, das ist ein
Fang. Und morgen machen wir das noch mal zusammen. So kann das weitergehen mit
Jesus. War ja doch sinnvoll, was er gesagt hat. Aber nein, angesichts des nicht
Vorstellbaren überkommt Petrus - und auch seine Mitfischern - der Schrecken,
die Angst. Mit natürlichen Dingen kann das doch nicht vor sich gegangen sein.
Da muss etwas Größeres hinter stecken.
Es ist etwas anderes Erzählungen über Jesus, von seinem
Wirken mitzubekommen, als direkt zwei Mal bei Wundern persönlich dabei gewesen
zu sein. Nun ja - die Heilung hätte ja auch Zufall sein können. Wer weiß das
schon bei Krankheiten. Sie kommen und manchmal gehen sie auch wieder ohne
Komplikationen. Aber jetzt dieser Fischfang. Einmal ist keinmal, aber zweimal…Doch
bevor sich die Angst weiter vertiefen kann, bevor sich die Fischer weiter
Gedanken machen können, redet Jesus.
„Du brauchst dich
nicht zu fürchten. Von jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein.“ Wie den
Hirten auf dem Feld wird hier den Fischern zugesprochen: „Fürchtet euch nicht!“
Und die Worte waren so eindrücklich, dass sie alles hinter sich ließen. Selbst
der gerade getätigte Fang blieb liegen. Alles was zählte war: Jesus nachfolgen.
Was dann folgt können wir im Lukasevangelium bzw. dem
restlichen neuen Testament weiterlesen. Petrus wird zu einem glühenden Nachfolger
Jesus. Mit allen Höhen und Tiefen. Er ist nach Lk 9, 20 der erste Jünger, der
ihn als „für den von Gott gesandten
Messias“ bekennt. Genauso ist er nach Jesus Festnahme der erste, der ihn
dreimal verleugnet Lk 22, 54-62. Und wird dann zu einem der führenden Köpfe der
ersten Kirche wie uns in der Apostelgeschichte erzählt wird.
Von einem außergewöhnlichen Erlebnis gepaart mit einer
besonderen Erkenntnis habe ich Eingangs der Predigt gesprochen.
Außergewöhnlich ist die Geschichte vom Fischfang des Petrus
ja nun tatsächlich. Ich kann mich zumindest nicht dran erinnern außerhalb der
Bibel solch eine Geschichte gehört zu haben. Und wenn ich die Überschrift zum
Predigttext lese „Die Berufung der ersten Jünger“ dann kann ich die
Außergewöhnlichkeit verstehen. Nach christlichem Verständnis ist jeder Mensch,
der sich zu Jesus bekennt ein Jünger. Und jeder hat eine eigene Geschichte zu
erzählen, wie es dazu kam. Viele dieser Geschichten sind außergewöhnlich.
Rocky, der eigentlich Gerhardt Bauer hieß und Reiner “Olli“ Ewers sind die
beiden, die Mitte der 80er Jahre in der Jugendarbeit total bekannt waren. Der
eine über und über tätowiert und mit Irokesenhaarschnitt, der andere ein
Krimineller aus dem Ruhrgebiet. Heute ist es vielleicht ein Samuel Koch, der
durch seinen Unfall bei Wetten dass! bekannt wurde.
Aber vor allem sind da ja auch unsere eigenen Geschichten.
Nicht so bekannt wie die von den gerade Genannten, aber über uns wurde ja auch
kein Buch geschrieben. Ein außergewöhnliches Erlebnis ist es trotzdem.
Erinnert euch an eure Berufung. Was habt ihr da gespürt, was
war das Besondere? Oder ist es mehr ein schleichender Prozeß gewesen? Über
einen längerer Zeitraum? Was hat da bei der Stange gehalten?
Und damit komme ich zur besonderen Erkenntnis. Eigentlich
ist es eine ganz alltägliche Erkenntnis, nur das sie oft nicht beachtet wird
und daher wieder besonders ist: Jesus kommt in unser Leben. „Jesus begegnet
Simon, dem Fischer, und er trifft ihn nicht in einer Kirche, sondern im Beruf.
Er führt ihn nicht weg vom See, sondern hinaus auf den See. Er sagt nicht:
„Vergiss jetzt mal deine Fische“, sondern er macht gerade die Fische zum
Thema.“ (http://www.greifbar.net/uploads/media/GreifBar_plus_Lk_5_1-11_01.pdf)
Mitten hinein in
unseren Alltag, unsere Arbeit, unsere Müdigkeit. Hinein in das pralle Leben
kommt Jesus und spricht an. Jeden Menschen persönlich. Er begleitet. Still und
leise, ausdauernd, nicht drängend oder gar aufdringlich. Aber immer treu, immer
zur Stelle. Sich darauf einzulassen, darauf zu antworten wie Petrus, das ist
das Herausfordernde.
Jetzt kann die eine oder der andere einwenden: Ok - aber was
sagt mir das jetzt? Ich habe doch meine Bekehrungsgeschichte. Ich habe “Ja“
gesagt zu Jesus. Worauf soll ich mich denn noch einlassen?
Denk daran: mit der Bekehrung des Petrus ist dessen
Geschichte mit Jesus nicht zu Ende! Im Gegenteil, sein Leben mit Jesus fängt ja
da erst an. Es war ein erstes Einlassen auf das, was Jesus zu sagen hat. Nicht
mehr, aber auch nicht Weniger.
Für dich gilt das auch: Jeder Tag im Leben ist ein Tag mit
Jesus an der Seite. Und da gibt es soviel zu erleben.
Mache dich auf, lasse alles zurück und schließe dich ihm an.
Folge Jesus nach.
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere
Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unseren Herrn.