Sonntag, 5. Juli 2015

Ein außergewöhnliches Erlebnis gepaart mit einer besonderen Erkenntnis



Moin zusammen,

geht euch das auch manchmal so: schon lange Christ, aber an den Moment der Berufung und der damit verbundenen Leidenschaft wird nicht mehr so oft gedacht. Gut das in der Perikope von heute an die Berufung der ersten Jünger erinnert wird.

Lasst euch mit erinnern.

Fröhliche Grüße
Bernd


Lieber Vater, schenk uns ein Herz für dein Wort und dein Wort für unser Herz. Amen

Liebe Gemeinde,

ich bin müde. Sehr müde. Die ganze Nacht hindurch bin ich gefahren. 640 km. Einmal Tanken, Beine vertreten und aufs Klo. Mehr war nicht drin. Und das alles, weil ich dem Stau zum Urlaubsbeginn aus dem Weg gehen möchte. Aber jetzt bin ich da. Wagen auspacken, kurz einkaufen und dann kann der Urlaub beginnen. Jedes Jahr am ersten Ferientag läuft das so. Meine Familie erträgt das. Ob gerne – da bin ich mir nicht so sicher. Aber immerhin ist eines sicher: jetzt beginnt eine der schönsten Zeiten im Jahr – Urlaubszeit.

Im heutigen Predigttext ist auch jemand sehr müde. Aber der Grund ist ein komplett anderer. Nicht der Urlaub steht im Vordergrund, sondern die Arbeit. Und dann auch noch ein außergewöhnliches Erlebnis gepaart mit einer besonderen Erkenntnis. In Lukas 5, die Verse 1-11. Hier nach der Neuen Genfer Übersetzung:

Die Berufung der ersten Jünger

1 Eines Tages stand Jesus am See Gennesaret; eine große Menschenmenge drängte sich um ihn und wollte das Wort Gottes hören.
2 Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten ihre Netze.
3 Jesus stieg in das Boot, das Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit auf den See hinauszufahren. So konnte er im Boot sitzen und von dort aus zu den Menschen sprechen.
4 Als er aufgehört hatte zu reden, wandte er sich an Simon und sagte: »Fahr jetzt weiter hinaus auf den See; werft dort eure Netze zum Fang aus!«
5 Simon antwortete: »Meister, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und haben nichts gefangen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze auswerfen.«
6 Das taten sie dann auch, und sie fingen eine solche Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen begannen.
7 Deshalb winkten sie den Fischern im anderen Boot, sie sollten kommen und mit anpacken. Zusammen füllten sie die beiden Boote, bis diese schließlich so voll waren, dass sie zu sinken drohten.

8 Als Simon Petrus das sah, warf er sich vor Jesus auf die Knie und sagte: »Herr, geh fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.«
9 Denn ihm und allen, die bei ihm im Boot waren, war der Schreck in die Glieder gefahren, weil sie solch einen Fang gemacht hatten,
10 und genauso ging es Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus, die zusammen mit Simon Fischfang betrieben. Doch Jesus sagte zu Simon: »Du brauchst dich nicht zu fürchten. Von jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein.«
11 Da zogen sie die Boote an Land, ließen alles zurück und schlossen sich ihm an.

Da ist also der müde Simon. Von Jesus im Laufe unseres Textes mit dem Beinamen Petrus belegt. Von der Arbeit geschafft erledigt er mit seinen Arbeitskollegen noch die letzten Dinge, die zur Fischerei dazugehören: Flicken und Reinigen der Netze. Diesmal sind sie nicht unter sich. Eine große Menschenmenge hat sich am Strand versammelt.

„Was wollen die nur? Ach egal, nur noch die Netze säubern und dann ab ins Bett. Ich bin zu geschafft, um mir darüber Gedanken zu machen“ denkt sich Petrus.

Während sie da am Strand vor sich hin arbeiten steigt jemand in sein Boot ein. Jetzt kommt Bewegung in ihn: „Was hat der Mensch da nur verloren? Den werde ich jetzt…“
Wir lernen Petrus Temperament im Laufe der weiteren biblischen Geschichten ja noch kennen. Aber heute wird er doch etwas ruhiger. Der Mann im Boot, das ist ja Jesus. Der Jesus, der vor noch nicht allzu langer Zeit seine Schwiegermutter von einem hohen Fieber geheilt hatte, wie wir in Lk. 4, 38-40 nachlesen können. Und der spricht ihn auch direkt an, freundlich, höflich.

„Fahr mich ein Stück raus auf den See, damit die Menschen hier mich besser verstehen.“

„Naja, eine Hand wäscht die andere. Du hast meine Schwiegermutter geheilt, fahre ich dich also raus. Aber bitte denk dran: ich komm von der Nachtschicht.“

Und so ruft er ein paar seiner Leute zusammen und fährt mit Jesus ein Stück auf den See hinaus. Während Jesus zu den Menschen am Ufer redet, flickt Petrus weiter seine Netze. Was Jesus sagt bekommt er gar nicht mit.

Wir ja übrigens auch nicht. Im Text steht kein Wort davon. Nur das die Menschen Gottes Wort hören wollten und Jesus zu ihnen spricht.

Fahr jetzt weiter hinaus auf den See; werft dort eure Netze zum Fang aus!
Moment mal. Plötzlich wird Petrus aus seiner Lethargie herausgerissen.
Fahr jetzt weiter hinaus auf den See; werft dort eure Netze zum Fang aus!

Das hat Jesus gerade zu ihm gesagt. Was soll das denn. Nicht genug, das er ihn hierher gerudert hat, das er länger geblieben ist, als er zunächst wollte. Sogar die Netze sind fertig. Eigentlich Zeit nach Hause zu kommen. Die Menschen, zu denen Jesus gesprochen hat, gehen auch gerade nach Hause, vermutlich zu ihrem Tagwerk. Es könnte jetzt doch zurück ans Ufer gehen und ab ins Bett, um für die kommende Nacht fit zu sein. Nicht in die entgegen gesetzte Richtung. Nicht zurück an die Arbeit. Was hat dieser Jesus nur. Das ist doch nicht sinnvoll, was er sagt. "Fische werden nachts gefangen und nicht am Tag. Jetzt schwimmen die Fische tiefer unten, wo meine Netze gar nicht hinkommen. Und außerdem fängt man die Fische eher im seichten Wasser, wo sie nachts an die Oberfläche kommen, um
Nahrung aufzunehmen, aber doch nicht mitten im See."

Doch, nur zur Erinnerung, er hat meine Schwiegermutter geheilt. „Aber weil du es sagst, will ich die Netze auswerfen.“ Also wieder hinaus auf See. Die schweren Netze über Bord geworfen. „Nicht dran denken, dass das ganze Flick- und Reinigungsprozedere gleich noch mal gemacht werden muss. Und wofür das alles? Nur weil Jesus es sagt. Der hat doch keine Ahnung. Zimmermann ist er, kein Fischer wie ich.“

Und wie Petrus sich so seine Gedanken macht, erschrickt er plötzlich. Es ruckt an den Netzen. Er kann sie kaum noch halten. Selbst mit seinen Kollegen zusammen nicht. Das kann doch gar nicht sein. Schnell die restlichen Fischer am Ufer gerufen. Mit lauter Stimme: „Hierher, hierher. Helft uns, wir fangen soviel, das können wir alleine nicht bewältigen. Unser Boot sinkt schon fast.“ Die Müdigkeit ist wie weggeblasen. Nur noch die Arbeit zählt. Das Wissen, das mit diesem Fang ein großer Lohn auf alle zukommt. Das zweite Boot kommt. Auch das wird mit Fisch gefüllt bis zur Oberkante. Aber so mühselig die Arbeit ist, das Adrenalin und die eingespielte Zusammenarbeit sorgt dafür, das alles klappt.

Erst auf der Rückfahrt wird Petrus dann klar, was passiert ist. Ein Fischfang, der nie hätte klappen dürfen. Und ihm fiel wieder ein, was über Jesus erzählt wird. Wie er in den Synagogen lehrt und von allen hoch geachtet wird, wie er in der Synagoge von Kafarnaum einen bösen Geist ausgetrieben hat. Und hat er nicht die Heilung seiner Schwiegermutter mitbekommen.

Herr, geh fort von mir! Ich bin ein sündiger Mensch“ bricht es aus Petrus heraus.



Logisch wäre doch zu denken: Mensch, super, das ist ein Fang. Und morgen machen wir das noch mal zusammen. So kann das weitergehen mit Jesus. War ja doch sinnvoll, was er gesagt hat. Aber nein, angesichts des nicht Vorstellbaren überkommt Petrus - und auch seine Mitfischern - der Schrecken, die Angst. Mit natürlichen Dingen kann das doch nicht vor sich gegangen sein. Da muss etwas Größeres hinter stecken.

Es ist etwas anderes Erzählungen über Jesus, von seinem Wirken mitzubekommen, als direkt zwei Mal bei Wundern persönlich dabei gewesen zu sein. Nun ja - die Heilung hätte ja auch Zufall sein können. Wer weiß das schon bei Krankheiten. Sie kommen und manchmal gehen sie auch wieder ohne Komplikationen. Aber jetzt dieser Fischfang. Einmal ist keinmal, aber zweimal…Doch bevor sich die Angst weiter vertiefen kann, bevor sich die Fischer weiter Gedanken machen können, redet Jesus.

Du brauchst dich nicht zu fürchten. Von jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein.“ Wie den Hirten auf dem Feld wird hier den Fischern zugesprochen: „Fürchtet euch nicht!“ Und die Worte waren so eindrücklich, dass sie alles hinter sich ließen. Selbst der gerade getätigte Fang blieb liegen. Alles was zählte war: Jesus nachfolgen.

Was dann folgt können wir im Lukasevangelium bzw. dem restlichen neuen Testament weiterlesen. Petrus wird zu einem glühenden Nachfolger Jesus. Mit allen Höhen und Tiefen. Er ist nach Lk 9, 20 der erste Jünger, der ihn als „für den von Gott gesandten Messias“ bekennt. Genauso ist er nach Jesus Festnahme der erste, der ihn dreimal verleugnet Lk 22, 54-62. Und wird dann zu einem der führenden Köpfe der ersten Kirche wie uns in der Apostelgeschichte erzählt wird.



Von einem außergewöhnlichen Erlebnis gepaart mit einer besonderen Erkenntnis habe ich Eingangs der Predigt gesprochen.

Außergewöhnlich ist die Geschichte vom Fischfang des Petrus ja nun tatsächlich. Ich kann mich zumindest nicht dran erinnern außerhalb der Bibel solch eine Geschichte gehört zu haben. Und wenn ich die Überschrift zum Predigttext lese „Die Berufung der ersten Jünger“ dann kann ich die Außergewöhnlichkeit verstehen. Nach christlichem Verständnis ist jeder Mensch, der sich zu Jesus bekennt ein Jünger. Und jeder hat eine eigene Geschichte zu erzählen, wie es dazu kam. Viele dieser Geschichten sind außergewöhnlich. Rocky, der eigentlich Gerhardt Bauer hieß und Reiner “Olli“ Ewers sind die beiden, die Mitte der 80er Jahre in der Jugendarbeit total bekannt waren. Der eine über und über tätowiert und mit Irokesenhaarschnitt, der andere ein Krimineller aus dem Ruhrgebiet. Heute ist es vielleicht ein Samuel Koch, der durch seinen Unfall bei Wetten dass! bekannt wurde.

Aber vor allem sind da ja auch unsere eigenen Geschichten. Nicht so bekannt wie die von den gerade Genannten, aber über uns wurde ja auch kein Buch geschrieben. Ein außergewöhnliches Erlebnis ist es trotzdem.

Erinnert euch an eure Berufung. Was habt ihr da gespürt, was war das Besondere? Oder ist es mehr ein schleichender Prozeß gewesen? Über einen längerer Zeitraum? Was hat da bei der Stange gehalten?

Und damit komme ich zur besonderen Erkenntnis. Eigentlich ist es eine ganz alltägliche Erkenntnis, nur das sie oft nicht beachtet wird und daher wieder besonders ist: Jesus kommt in unser Leben. „Jesus begegnet Simon, dem Fischer, und er trifft ihn nicht in einer Kirche, sondern im Beruf. Er führt ihn nicht weg vom See, sondern hinaus auf den See. Er sagt nicht: „Vergiss jetzt mal deine Fische“, sondern er macht gerade die Fische zum Thema.“ (http://www.greifbar.net/uploads/media/GreifBar_plus_Lk_5_1-11_01.pdf) Mitten hinein in unseren Alltag, unsere Arbeit, unsere Müdigkeit. Hinein in das pralle Leben kommt Jesus und spricht an. Jeden Menschen persönlich. Er begleitet. Still und leise, ausdauernd, nicht drängend oder gar aufdringlich. Aber immer treu, immer zur Stelle. Sich darauf einzulassen, darauf zu antworten wie Petrus, das ist das Herausfordernde.

Jetzt kann die eine oder der andere einwenden: Ok - aber was sagt mir das jetzt? Ich habe doch meine Bekehrungsgeschichte. Ich habe “Ja“ gesagt zu Jesus. Worauf soll ich mich denn noch einlassen?

Denk daran: mit der Bekehrung des Petrus ist dessen Geschichte mit Jesus nicht zu Ende! Im Gegenteil, sein Leben mit Jesus fängt ja da erst an. Es war ein erstes Einlassen auf das, was Jesus zu sagen hat. Nicht mehr, aber auch nicht Weniger.

Für dich gilt das auch: Jeder Tag im Leben ist ein Tag mit Jesus an der Seite. Und da gibt es soviel zu erleben.

Mache dich auf, lasse alles zurück und schließe dich ihm an.

Folge Jesus nach.

Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unseren Herrn.